TRAK Wendisch

Gegenlicht

1. April - 15. Juni 2006






In den Galerieräumen des kunst:raum sylt quelle werden im Frühjahr Arbeiten des renommierten Berliner Künstlers und Bildhauers TRAK Wendisch zu sehen sein. Die Ausstellung „Gegenlicht“ zeigt eine Querschnitt von Wendisch´s bisherigem Schaffen und bietet einen beeindruckenden Überblick – von komplexen Köpfen über fragile Klangkörper bis zu den neuesten kompakten Gipsarbeiten.

Die Bandbreite seiner künstlerischen Medien ist sehr groß, TRAK Wendisch arbeitet zeichnerisch, malerisch und skulptural. All diese Ebenen bedingen sich, verweisen aufeinander und ergänzen sich, besitzen aber auch jede für sich eine ausgesprochen autonome Qualität.

TRAK Wendischs Arbeiten umkreisen die Polarität zwischen wilder Expressivität und kühler Strenge, sie bewegen sich zwischen Gefühl und Verstand. Steht bei früheren Werken die natürliche Lebendigkeit der Figuren im Vordergrund, so liegt bei den abstrakteren Arbeiten das Gewicht auf der Form. TRAK Wendisch möchte Neues schaffen, er läßt das Gewohnte zurück und wendet sich dem Unbekannten zu - auf der Suche nach dem Existentiellen. Gemeinsam ist allen Skulpturen die ungeheure Spannung, die in der Figur selbst, aber auch in ihrem Verhältnis zum Raum Ausdruck findet.

„Wendischs Figuren sind...keine Plastiken im ursprünglichen Sinne. Sie sind der Zeichnung entsprungene Materialisierungen..“ (Michael Freitag)
  
Vernissage am Samstag, dem 22. April 2006, um 18 Uhr
TRAK Wendisch ist anwesend
 
Einführung: Prof. Jörn Merkert, Berlinische Galerie
siehe auch Außen:Raum
 
Auf dem Weg - Trak Wendisch
 
Ich habe mich auf die Suche nach Trak Wendisch begeben. Und es war nicht leicht, ihn zu finden. Ich bin nicht wirklich sicher, ob ich ihn gefunden habe, eher gewiss, ihn nicht gefunden zu haben, obwohl ich ihm begegnet bin, er mir begegnet ist.
 
In den zahlreichen Veröffentlichungen über diesen Künstler trifft man immer wieder auf Versuche, Wendisch dingfest zu machen, seine jeweils gegenwärtige Position zu bestimmen, vermutete Entwicklungen zu fixieren. In jedem dieser Versuche scheint Wendisch zu erkennen zu sein, bevor er sich erneut entzieht, sich andernorts rematerialisiert, einen Pfad höchstens oder sogar nur Spuren hinterlässt. Dabei scheinen die tatsächlichen Ortswechsel der Person Trak Wendisch eine wichtige Rolle für die Weiterentwicklung seiner Kunst zu spielen. Reisen nach Südamerika, Arbeitsaufenthalte in Brasilien, Mexiko und Costa Rica markieren wesentliche Stationen aktiver >Weltanschauung<, des Material Sichtens eines Trak Wendisch.

Nur aus der Ferne, der Entfernung oder der zurückgelegten Strecke kann man sich des Ortes vergewissern, von dem aus man aufgebrochen, weggegangen ist. Was musste zurückbleiben, um die Reise zu erleichtern, was sind die unverzichtbaren Utensilien, die man weiterschleppen muss?

Michael Freitag hat in einem Aufsatz das Gepäck Wendischs mit der Kennung Design der Erinnerung versehen, womit bereits ein wesentlicher Aspekt seiner Arbeit angesprochen wurde. Erinnerung beinhaltet dabei neben dem Privaten, Intimen, nicht Entschlüsselbaren, unter anderem das Depot der Traditionen, die Wendisch in seinem Werk aufzuheben sucht. In den Besprechungen seiner Arbeiten finden sich zahlreiche Verweise auf kunstgeschichtliche Bezüge, die Wendisch kommuniziert. Jörn Merkert vergleicht die schlanken, überlängten Gestalten des Wendisch`schen Kosmos mit gotischen Gewändefiguren und spannt den Bogen bis in die Romantik eines Caspar David Friedrich, dessen « überhitzte Gefühlsbefrachtung der menschlichen Figur », die als zwingend zusammengehörig empfundene Antinomie von Form und Inhalt Merkert in Trak Wendischs Arbeiten wiederfindet. Hans-Michael Herzog konstatiert dazu « eine gehörige Portion surrealistischer Anteile », weiß ihn aber ebenso in « bester deutscher expressionistischer Tradition » verortet, die sich schließlich über den ostdeutschen Expressionismus eines Bernhard Heisig, der einer der Lehrer Wendischs gewesen war, bis zum Neoexpressionismus der Neuen Wilden hin fortsetzt.

Vom 9. April bis zum 15. Juni 2006 zeigt der Kunst Raum Syltquelle die Ausstellung «Gegenlicht» des Berliner Bildhauers und Malers Trak Wendisch (*1958). Im Rahmen dieser Ausstellung übergibt Trak Wendisch die Plastik « Fischträger » an den kunst:raum sylt quelle. Dort wird sie künftig im Außenbereich des kunst:raums in Rantum zu sehen sein.

Der «Fischträger» stellt in mehrfachem Sinn den Träger von Symbol und Idee, von Form und Inhalt dar, wie dies in ähnlich konzentrierter Form auch in anderen Arbeiten Wendischs zu finden ist. Tragen, wegtragen, transportieren, transponieren, deponieren. In der Umgebung dieser Begriffe sind zentrale Motive vieler Arbeiten Wendischs zu suchen und zu finden. Dabei ist es erst einmal nicht entscheidend oder evident, von welchem Ort zu welchem Ort welches Gut transportiert wird, weil das möglicherweise zum Zeitpunkt des Aufbruchs noch nicht feststeht. Doch aufgebrochen werden muss, bis das Gepäck einmal sortiert ist, es sich herauskristallisiert hat, was wegzutragen war. Man befindet sich sicher auf einem Weg durch die Zeit, die Erfahrung und die Erinnerung.

An dieser Stelle darf daran erinnert werden, dass noch vor hundert Jahren von Sylt aus Walfang betrieben wurde, der Standort der Bronze also nicht zufällig gewählt ist, auch wenn man den «Fischträger» vielleicht als Skulptur der Sehnsucht bezeichnen könnte, die Trak Wendisch bei der Arbeit an dieser Plastik bewegt haben mag. Er spricht davon, dass ihn die Sehnsucht nach dem Meer angetrieben hat, als er weit entfernt vom Meer die Plastik begann, und erstaunlich sind die Wege, welche die Kunst geht: Der «Fischträger» ist nun am Meer angekommen. Man kann davon ausgehen, dass sich auf diesem Weg, das biografische wie artistische Material, das man nicht einfach als Last bezeichnen kann, immer wieder verändert hat, Ballast wird abgeworfen, neuer kommt hinzu, es wird transportiert und transponiert, also versetzt, umgesetzt und verlagert. Es werden Lager, Reservoire angelegt, zu denen man eines Tages, wenn man sich wieder auf dem Weg befindet, zurückkehren könnte. Deponien künstlerischer Rückversicherung.

Die Ausstellung «Gegenlicht» in der Galerie des kunst:raum sylt quelle vereint bzw. zeigt gewissermaßen einen Längsschnitt durch verschiedene Werkschichten Trak Wendischs. Ursprünglich von der Malerei herkommend, wandte sich der Künstler seit Anfang der achtziger Jahre verstärkt der Plastik zu, die dann schließlich den Kern seiner künftigen Arbeiten bilden sollte. Von der Einzelfigur ausgehend bevölkerte er die unterschiedlichsten Tableaus und Räume mit seinen skulpturalen Arsenalen (Schachspiel, Babel), und auch dort, wo die Figur einzeln stehen bleibt, scheint sie nach Gegenüber oder Mitspieler zu fragen. Insofern sind seine Figuren immer auch Teil einer entweder ausgeführten oder zumindest angedachten Interaktion, sozialen Zusammenhangs, Ausrisse theatralischer Inszenierung. Da Trak Wendisch, wie er selbst sagt, über die Arbeiten seine eigenen Außenbeziehungen intellektuell reflektiert, setzen sich biografische Einschnitte bis in die Form der Plastik fort, wo sie nach den Kriterien des Materials erneut untersucht, bearbeitet werden. Wo sich die Möglichkeiten einer formalen Lösung erschöpft haben, weicht Wendisch in eine neue Form, einen bisher nicht genutzten Raum aus. Dieses Spektrum reicht von der Zeichnung, einem Rhizom der Bildhauerei, bis zu archtitekturbezogener Kunst. Man könnte vielleicht auch sagen, dass in den Momenten der temporären Erschöpfung neue Stücke erdacht werden, die nach ihnen gemäßen Bühnebildern verlangen. Ausweichen heißt aber gleichzeitig auch, vorschneller Metaphorik zu misstrauen, die Angebote des Außen auf ihre verwertbare, übersetzbare oder zu verwerfende Substanz abzuklopfen, ob sie in die Bild- und Bilderwelt des Trak Wendisch einzubauen sind.

In der Ausstellung «Gegenlicht» sind daher auch Objekte zu sehen, die ursprünglich für größere Installationen im Außenraum, z.B. ein Institut für Genforschung in Quedlinburg, konzipiert wurden, im Zusammenhang mit dieser Ausstellung aber in den Kontext, das Licht und also Gegenlicht dieses Werkschauausschnittes gestellt sind.

In einem Gespräch mit Matthias Flügge sagte Trak Wendisch 1995:

„Du kannst die Waagerechte nicht machen, ohne ein bestimmtes Gefühl zu induzieren, das eigentlich mit der Waagerechten schon nichts mehr zu tun hat, sondern wieder mit einer Geschichte, die sofort entsteht, wenn ein Mensch sich in der Waagerechten befindet. Jetzt bin ich davon frei. Vor allem wollte ich die Senkrechte nicht mehr, und manches von dem Artifiziellen, das Du beobachtest, das Kippen zum Beispiel, hat damit zu tun. Das habe ich sozusagen lebenstechnisch permanent probiert.“

Man darf gespannt sein, wie sich das Design der Erinnerung verwandeln wird, wenn es erneut aus der Gegenwart in die Zukunft kippt.

Text von Olaf Müller