Fotografische Positionen zu Tod und Meer

Am Ende der Sehnsucht

23. Februar bis 22. Juni 2014

Eröffnung: 22. Februar 2014, 19.00 Uhr, kunst:raum sylt quelle

In Kooperation mit dem Altonaer Museum für Kunst und Kulturgeschichte Hamburg, dem Fabrik Fotoforum Hamburg sowie Photonews-Verlag Hamburg

Beteiligte Fotografen:
A. J. Sisco, Agnieszka Dukland, Akihiro Irie, Alexander Stein, Aslak Gurholt Rønsen, Barbara Walton, Bevil Knapp, Christoph Gerigk, Denis Brudna, Everett Kennedy Brown, Franck Robichon, Franziska Strauss, Gerardo Mora, Gunnar Jónsson, Hans-Christian Schink, Ivo Kocherscheidt, Jens Rötzsch, John Cancalosi, Jörn Vanhöfen, Kimimasa Mayama, Marko Zink, Markus Oberndorfer, Oliver Bolch, Pablo Castagnola, Pavel Odvody, Peter Zupnik, Richard Manin Robin Utrecht, Rungroj Yongrit, Vinai Dithajohn, Volkmar Herre
Flyer Seite 1 (pdf, 900 kb)
Flyer Seite 2 (pdf, 800 kb)
Die Beziehung zwischen Mensch und Meer ist eine sehr enge. Und das nicht nur, weil das Leben in den Urozeanen seinen Anfang nahm. Die endlosen Horizonte beflügeln seit jeher die menschliche Phantasie und den Drang, das zu entdecken, was sich in der unbekannten Ferne befindet. Mit der Erfindung von Booten und Schiffen begann die Eroberung der Welt. Auf dem Wasser wurden zahllose erbitterte Kriege ausgetragen, bei denen viele Menschen und Schiffe in der Tiefe begraben wurden. Doch auch die Elemente selbst machten zu jeder Zeit die Seefahrt gefährlich und unberechenbar. Das Meer ist allerdings auch dazu prädestiniert, Sehnsüchte zu provozieren.
Zunächst ging es um Entdeckungen und Eroberungen. Dann folgten die Kaufleute und der Warenaus-tausch über die Meere. Viele haben an Bord eines Schiffes nach dem Glück in anderen Ländern, auf anderen Kontinenten gesucht. Mit einer Kreuzfahrt schließlich erfüllen sich heute viele Touristen ihre Sehnsucht nach Ferne, nach Exotik und vermeintlicher Seeromantik. Haben früher die Walfänger dafür gesorgt, dass die Öllampen mit ihrer stinkenden Walöl-Flamme die Stuben erleuchten konnten, sind es jetzt die zahlreichen Tankerschiffe, die das „schwarze Gold“ kreuz und quer durch die Ozeane transportieren, um der global wachsenden Industrie und der Mobilität die notwendige Energie zu liefern. Zu allen Zeiten blieben die Meere jedoch auch gefährlich, unberechenbar und launisch. So sehr sich der Mensch auch bemühte, der geballten Gewalt zu trotzen, immer wieder fand er in den Fluten des „kalten Grabes“ sein Ende. Unzählige Wracks am Meeresboden zeugen von der Unmöglichkeit, das Meer vollständig zu beherrschen. Alle gewagten Visionen von unsinkbaren Schiffen wurden widerlegt, und noch immer wissen wir mehr üben den Mond als über die Tiefen der Ozeane.

(c) Marko Zink, Silberschuhe
Als Erweiterung der Ausstellung „Der Tod und das Meer“ bietet die Ausstellung „Am Ende der Sehnsucht“ Einblicke in Bereiche, die das Wasser der verschiedenen Meere als ein Element von ungeheurer Gewalt und als Quelle infernaler Zerstörung beschreibt. Das anfängliche Konzept dieser Ausstellung war zugegeben etwas diffus und konnte nur durch einige konkrete visuelle Eckpfeiler gestützt werden. Doch während der intensiven Beschäftigung mit dem Thema tauchten immer mehr Bilder und Serien auf, die das Konzept nun visuell füllen. Es war uns wichtig, Themen wie Sehnsucht, Meer und Tod mit solchen Bildern zu beschreiben, die sowohl realistisch als auch symbolisch die einzelnen Bereiche illustrieren. Die Ausstellung soll zugleich informieren und faszinieren, so dass der Betrachter eigene Emotionen in den vorgestellten Bildern spiegeln kann. Das Meer wirkt einerseits anziehend, magisch und beruhigend. Andererseits können die Weltmeere auch für Zerstörung und Tod stehen. Die menschliche Sehnsucht nach dem, was sich hinter dem Horizont verbergen mag, wurde immer von Unbehagen und Todes-angst begleitet. Der Tod am Meeresboden - zumal eingeschlossen in einem versunkenen Schiff - zählt zu den grausamsten Vorstellungen. Noch immer finden Taucher versunkene Schiffe und Flugzeuge, in denen Verunglückte ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Doch nicht nur Unwetter und Eisberge haben viele Schiffe auf den Meeresboden befördert. Wer das Prinzip eines schwimmenden Objekts kennt, weiß auch, wie man es versenken kann. Kriege und Seeschlachten sind Ursache für die zahllosen Wracks am Meeresboden. Manchmal sanken sowohl die Angreifer als auch ihre Opfer gemeinsam. Wer nicht mit in die Tiefe gerissen wurde, verstarb durch Durst oder Erschöpfung oder wurde durch Haie getötet. Gefahren lauern aber nicht nur an Bord eines Schiffes oder U-Bootes, sondern zunehmend auch an Land. Tsunamis und Hurrikane haben in den letzten Jahren mehr als deutlich gezeigt, dass die gewaltige Kraft der Ozeane durch nichts zu stoppen ist. Ganze Landstriche wurden verwüstet und abertausende Menschen fanden in den hereinstürzenden Wassermassen ihren Tod.
(c) Franziska Strauss
Journalistische Fotografien der Ausstellung zeigen, wie verschiedene Orte durch Tsunamis und Hurrikane zerstört wurden. Zu sehen sind Arbeiten von A. J. Sisco, Akihiro Irie, Alexander Stein, Barbara Walton, Bevil Knapp, John Cancalosi, Kimimasa Mayama, Pablo Castagnola, Robin Utrecht, Rungroj Yongrit und Vinai Dithajohn. Als Reisefotografen waren Agnieszka Dukland und Oliver Bolch 2004 in Thailand unterwegs. Als sie sich am Strand ein Boot mieten wollten, kam die Warnung eines Tsunamis und kurze Zeit später das Wasser. Professionell griffen die beiden zu ihren Kameras und dokumentierten die nahende Welle, bis sie selbst mitgerissen wurden. Nachdem sie sich mehr oder weniger unverletzt retteten, haben sie aus den nassen Kameras die Filme gezogen und ließen sie entwickeln. Die bisher unveröffentlichten Resultate hängen nun an den Ausstellungswänden. Einen anderen Zugang zu dem Thema Tsunami fand der Fotograf Richard Manin. Seine Tsunami-Erinnerungen spiegeln sich in den Augen der portraitierten Kinder und ihren Zeichnungen wider, in denen sie ihre persönlichen Erinnerungen an die Katastrophe verarbeitet haben.
(c) Markus Oberndorfer
Ein Teil der Schau widmet sich den Wracks. Bekannte Unterwasser-Fotografen wie Christoph Gerigk und Ivo Kocherscheidt zeigen den Besuchern die Reste von all dem, was am Meeresboden gelandet ist: Schiffe, U-Boote und Flugzeuge wie gespenstische Mahnmale in einer unwirklichen Umgebung. Dass Jens Rötzsch auch ein ambitionierter Taucher ist, wissen nur wenige. Mit seinen Wrack-Fotografien ist eine unbekannte Seite des Berliner Fotografen zu entdecken. Aus London kommt eine Leihgabe der besonderen Art: Lange Zeit unentdeckt lag auf dem Meeresboden vor England ein 1940 abgeschossener deutscher Bomber (Do-17) nahezu unversehrt im Sand, bis ihn Radarstrahlen bei einem Routineflug enthüllt haben. Das wie ein abstraktes Gemälde wirkende Bild ist reizvoll und grausam zugleich. Weil das Flugzeug so gut erhalten ist, soll es 2013 gehoben und nach der Restaurierung in einem britischen Museum gezeigt werden. Mit Marko Zink stellen wir einen Fotokünstler vor, der das Thema Tod im Meer auf ebenso poetische wie beängstigende Weise interpretiert. Wie die Spuren eines Schiffsuntergangs schweben Kleider und verschiedene Gegenstände „malerisch“ im Wasser.
(c) Ivo Kocherscheidt
Auf den ersten Blick wirken auch die Landschaften von Hans-Christian Schink und Markus Oberndorfer malerisch. Schink dokumentiert die devastierten japanischen Landschaften nach dem Tsunami und Oberndorfer beschäftigt sich mit den todbringenden Wehranlagen an der Atlantikküste, die nun selbst Opfer der Naturgewalt werden und langsam in den Fluten versinken. Auch Pavel Odvody, Peter Zupnik oder Franziska Strauss interpretieren das Thema Tod und Meer eher symbolisch; Pavel Odvody als eine abstrakte Reflexion der Tiefe und der bedrohlichen Stimmung gepaart mit Menschenportraits, die wie Erinnerungen an Tote, verlorene Seelen anmuten. Peter Zupnik abstrahiert die latente Bedrohung der Wellen und der Tiefe in seinen düsteren, melancholischen Kompositionen. Ähnlich melancholisch wirken die Arbeiten von Volkmar Herre, der mit seiner Camera obscura symbolhafte Bilder über die Weite, die Sehnsucht und die latente Bedrohung geschaffen hat. Meere können verbinden, aber auch unüberwindbar trennen. So verführt die Sehnsucht nach dem „Schlaraffenland“ Europa viele verzweifelte Afrikaner zu einer waghalsigen Mittelmeer-Reise auf einem der überfüllten, maroden Boote, von denen viele samt ihrer Passagiere in die Tiefe sinken. Auch das ist ein Aspekt dieser Ausstellung über das Meer und den Tod.

23. Februar bis 22. Juni 2014
Eröffnung: 22. Februar 2014, 19.00 Uhr, kunst:raum sylt quelle
(c) Hans-Christian Schink
(c) Jörn Vanhöfen, Spanien, 2003